Ist es für einen Wohnungseigentümer möglich, die Mehrheit der Stimmen in einer Eigentümerversammlung innezuhaben und auszuüben? Müssen sich die übrigen Eigentümer einfach so überstimmen lassen?

Für einen Wohnungseigentümer ist es möglich, die Mehrheit der Stimmen in sich zu vereinigen und diese Stimmen auszuüben. Die anderen Eigentümer haben unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, die Stimmen nicht zu werten.

I. Einführung in die Problematik

In Wohnungseigentümergemeinschaften kommt es immer mal wieder vor, dass ein einzelner Wohnungseigentümer die Mehrheit der Wohnungen und somit die Stimmmehrheit innehat. Hieraus resultiert auf den Wohnungseigentümerversammlungen ein entsprechendes Stimmverhältnis. Für den betroffenen Eigentümer bedeutet dies ein Stimmengewicht zu seinen Gunsten. In vielen Fällen kann er quasi faktisch die Entscheidungen auf einer Versammlung alleine treffen. Bezüglich der Stimmrechte in einer Wohnungseigentümergemeinschaft kann eine Regelung in der Teilungserklärung aufgenommen sein, es kann durch bestandskräftigen Beschluss in einer Wohnungseigentümerversammlung oder nach den gesetzlichen Regelungen verfahren werden. Ausgangsfall ist der abdingbare § 25 WEG. Er regelt in Absatz 1 zunächst ganz nüchtern, dass Beschlüsse nur durch Stimmenmehrheit zustande kommen. Sodann verweist er auf die Abs. 2 bis 5. Absatz 2 regelt, dass zunächst, wenn keine anderen Vereinbarungen – wie oben beschrieben – getroffen sind, das gesetzliche Kopfprinzip Anwendung findet. Danach hat jeder Wohnungseigentümer eine Stimme. Aber auch die anderen Regelungsmöglichkeiten beeinträchtigen den Wohnungseigentümer in der Ausübung der Vielzahl seiner Stimmen nicht.

In solchen Gemeinschaften ist es nicht verwunderlich, dass andere Miteigentümer schnell auf den Gedanken kommen, dass sie nicht beachtet werden, der betroffene Eigentümer nur gegen sie stimmt oder seine Stimmen nur für sich einsetzt. Hieraus resultiert der Wunsch, das Stimmrecht des betroffenen Eigentümers zu beschränken. Dabei stellen sich jedoch mehrere juristische Fragen:

Ist eine Beschränkung durch generelle Klausel wirksam? In welchen Fällen kann beschränkt werden? Und primär, sind Beschränkungen überhaupt zulässig?

II. Beschränkung des Stimmrechts per se zulässig?

Als erstes sollte man sich der Frage widmen, ob eine Beschränkung per se zulässig ist. Wohnungseigentum wird durch Vertrag und die dortige Einräumung von Sondereigentum oder durch Teilung begründet, § 2 WEG. Bezüglich der vertraglichen Einräumung von Sondereigentum regelt § 3 WEG näheres. § 8 WEG regelt die Teilung. Durch das so begründete Eigentum tritt der Wohnungseigentümer nicht nur in alle Pflichten und Verbindlichkeiten, sondern erlangt auch alle Rechte und tritt in die Rechtsposition eines Wohnungseigentümers ein. Das Eigentum ist durch Artikel 14 GG geschütztes Rechtsgut und rangiert in der Verfassung hoch. Mitunter muss bei einer Beschränkung des Stimmrechts beachtet werden, dass das Stimmrecht Ausfluss des Eigentums und somit von Art. 14 GG erfasst ist. Eine Beschränkung des Stimmrechts per se ist zugleich ein Eingriff in das Eigentum und in seinen Kernbereich. Einschränkungen sind mithin nur durch gesetzliche Vorgaben und unter Beachtung von Art. 14 Abs. 1, S. 2 GG möglich. Oder durch vertragliche Vereinbarungen, jedoch unter besonders strikten und engen Voraussetzungen, wobei nur gewisse Aspekte geregelt werden können. Eine generelle Klausel, die beispielsweise regelt, dass von dem Wohnungseigentümer nur ein bestimmter Anteil an Stimmen ausgeübt werden kann, ist nichtig. Solche generellen Klauseln benachteiligen den betroffenen Eigentümer zu stark und sind ihm gegenüber unbillig. Ferner wird seine Rechtsposition schlechter gestellt als die der übrigen Wohnungseigentümer. Sollten Eigentümer über eine solche Beschränkung einen Beschluss fassen, ist der Beschluss nichtig. Es fehlt an der Beschlusskompetenz. Einerseits, weil ein solcher Eingriff in das Eigentum dessen Kernbereich betrifft, andererseits, weil auch die Zustimmung aller übrigen Eigentümer keine Beschlusskompetenz herstellen kann. Mithin scheiden sowohl die Beschlussfassung zur Beschränkung als auch generelle Klauseln, die regeln, dass bestimmte Anteile nicht ausgeübt werden können, aus. Es zeigt sich, dass eine generelle Beschränkung nicht möglich ist. Ferner, dass das Stimmrecht im wesentlichen Ausfluss des Eigentums ist und somit besondere Vorgaben gelten.

Da eine Beschränkung an sich nicht möglich ist, muss die Frage nach der Versagung des Stimmrechts dem Einzelfall vorbehalten bleiben.

III. Stimmrechtsversagung bei rechtsmissbräuchlicher Ausübung

Ein Stimmrecht kann also lediglich im Einzelfall nicht gewertet werden. Dies geschieht in den Fällen, in denen die Stimme rechtsmissbräuchlich ausgeübt wurde. Bei der Rechtsmissbräuchlichkeit muss das Stimmrecht so ausgeübt worden sein, dass die anderen Eigentümer einen Schaden erleiden oder schlechter gestellt werden. Sodann muss ein Schaden vorliegen (näheres dazu unter IV.).

Grundsätzlich werden die Stimmrechte so ausgeübt, wie es sich der Eigentümer vorstellt, um seine Interessen zu wahren. Dies ist auch ein völlig legitimes Ziel, denn das Eigentum hat er durch finanzielle Mittel erworben. Es zu erhalten und nach seinen Wünschen und Interessen zu stimmen, kann keinem Eigentümer untersagt werden. Gleiches gilt für denjenigen Eigentümer, der eine Vielzahl von Stimmen in seiner Person vereinigt. Berücksichtigung muss indes der enorm hohe finanzielle Aufwand und die Investition finden, die getätigt wurde. Erst Recht muss diesem Eigentümer seine Rechtsposition in vollem Umfang eingeräumt werden, dies beinhaltet auch sein Stimmrecht in vollem Umfang auszuüben.

Die anderen Eigentümer sind bei ihrer Stimmenabgabe ebenfalls von eigenen Interessen geleitet. Die Verfolgung der eigenen Interessen stellt mithin keinen Beschlussanfechtungsgrund dar (siehe nur LG Frankfurt/Oder, Urt. v. 18.9.2012). Anders kann es sich hingegen verhalten, wenn der betroffene Wohnungseigentümer seine Stimmrechte so einsetzt und ausübt, dass dies unter keinem Gesichtspunkt mehr zu rechtfertigen ist. In solch einem Fall sollte darüber nachgedacht werden, die Stimmen nicht zu werten. Wie dies zu geschehen hat, wird unten beschrieben. Fraglich ist, wann die Stimmausübung nicht mehr zu rechtfertigen ist. Dies kommt tendenziell auf den Einzelfall an und bedarf einer genauen Betrachtung. In den Fällen, in denen der betroffene Eigentümer seine Stimmen so einsetzt, dass er den anderen Eigentümern schadet oder diese ohne Rücksichtnahme schlechter gestellt werden, kann eine solche Rechtfertigung nicht mehr vorliegen. In einer Wohnungseigentümergemeinschaft bestehen neben zahlreichen Rechten auch Pflichten und ein Rücksichtnahme- und Treueverhältnis. Dies ist mitunter Ausfluss des § 242 BGB. Werden also solche Pflichten durch die Stimmausübung verletzt, kann die Ausübung nicht mehr gerechtfertigt werden. Für eine Schädigung muss folglich ein Schaden vorliegen.

IV. Hinreichend qualifizierter Schaden der anderen Wohnungseigentümer

Schäden, die durch die Stimmrechtsausübung eintreten, müssen hinreichend qualifiziert sein. D.h., dass ein abstrakt genereller Schaden nicht ausreicht. Ein beanstandeter Schaden muss konkret sein. Eine Prognose oder Angst vor einzutretenden Schäden reicht nicht aus. Lediglich in Einzelfällen, in denen sich die übrigen Wohnungseigentümer eines unmittelbar bevorstehenden Schadens versehen, sind die Stimmrechte des betroffenen Eigentümers nicht zu werten. Ein Schaden liegt indes nicht vor, wenn der betroffene Eigentümer einen Verwalter entgegen dem Willen der übrigen Eigentümer bestellt. Ein Schaden liegt erst dann vor, wenn der bestellte Verwalter die Anforderungen an eine ordentliche Verwaltung nicht erfüllt. Hierauf besteht indes ein gesetzlich durchsetzbarer Anspruch, § 21 Abs. 4 WEG.

Bei der Beurteilung, ob ein Schaden vorliegt kommen mehrere Aspekte in Betracht. Auch bei einer größeren Sanierung kann nicht auf einen finanziellen Schaden für die übrigen Eigentümer abgestellt werden. Dies wäre vielmehr dann der Fall, wenn ohne einen wie auch immer gelagerten Grund in nicht mehr vertretbarer Weise ohne Rücksicht beschlossen und saniert wird. Ferner müssen die Schäden konkret sein und bereits eingetreten sein oder unmittelbar bevorstehen. Es ist gleich, ob alle anderen von dem Schaden betroffen sind oder nur einzelne der übrigen Eigentümer. Auch kann es hierbei nicht auf deren finanzielle Lage ankommen. Bei der Beurteilung liegt vielmehr ein objektiver Maßstab an.

Liegt also auch ein Schaden vor, so müssen die Stimmen „entwertet“ werden.

V. Rechtsfolge: Stimmrechtsentwertung

Wird auf einer Wohnungseigentümerversammlung von dem Versammlungsleiter (Verwalter) festgestellt, dass die Stimmen des betroffenen Eigentümers rechtsmissbräuchlich eingesetzt wurden, darf der Verwalter diese Stimmen nicht werten. Liegt eine solche Rechtsmissbräuchlichkeit vor, so sind alle dem Wohnungseigentümer zustehenden Stimmen davon betroffen und müssen einheitlich nicht gewertet werden. Eine Teil-Nichtwertung ist hingegen nicht möglich. Die Erstreckung auf alle Stimmrechte des Eigentümers ist nach wohl herrschender Meinung Ausfluss von § 242 BGB.

Wird also die Missbräuchlichkeit vom Verwalter festgestellt, so werden die Stimmen wie abgegeben gezählt, mit Ausnahme aller dem betroffenen Eigentümer zustehenden Stimmen. Wird eine solche Feststellung von dem Verwalter nicht getroffen, liegt keine Nichtigkeit vor. Diese liegt nur in selteneren Fällen vor. Hierfür bräuchte es einen größeren Mangel. Dieser wird indes nicht vorliegen, da ja die Beschlussfähigkeit beispielsweise gegeben sein dürfte. Hier ist dann für die übrigen Eigentümer auf eine Beschlussanfechtungsklage zu verweisen. Für weitere interessante Aspekte zu prozessualen Gegebenheiten des Beschlussanfechtungsverfahrens siehe den Blog vom 9.04.2013 zur Vorlagepflicht einer Eigentümerliste im Beschlussanfechtungsverfahren. Wird die Frist zur Klageerhebung (un)- wissentlich verstrichen, so erwächst der Beschluss in Bestandskraft. Eine Anfechtung ist hiernach nicht mehr möglich.

Gleichwohl ist auch derjenige Eigentümer nicht rechtslos gestellt, dem seine Stimmrechte für den einzelnen Beschluss „aberkannt“ wurden. Für ihn bleibt ebenfalls der Weg des Beschlussanfechtungsverfahrens. Hierbei wird lediglich der einzelne Punkt angefochten, in dem die Stimmen fälschlich nicht gewertet wurden. Ferner kann das richtige Stimmergebnis festgestellt werden. Eine Anfechtbarkeit der gesamten Versammlung ist indes nicht möglich. Anfechtbar sind lediglich die einzelnen Beschlüsse, die diesem Mangel unterliegen.

(In Anlehnung an den Aufsatz in: NJW-Spezial 8/13, S. 225)

VI. Konsequenzen für einzelne Wohnungseigentümer

Wohnungseigentümerversammlungen sind oftmals nicht frei von juristischen Fallen und Tücken. Eigentümer sollten sich frühzeitig bei einem Anwalt über ihre Rechte informieren. Sollten Sie nach einer Versammlung den Verdacht haben, dass Beschlüsse nicht richtig sind, zögern sie nicht und suchen Sie juristischen Beistand. Wichtig ist die Einhaltung der Fristen. Die Kanzlei Dr. Papsch & Collegen berät sie gerne umfassend, klärt Sie über Ihre Rechte auf und bespricht mit Ihnen ein genaues vorgehen. Sie steht zudem Wohnungseigentümergemeinschaften beratend zur Seite und ist auch Anlaufstelle für Verwalter. Wir sind gerne (außer)- gerichtlich in Wohnungseigentumsangelegenheiten für Sie da, unterstützen Sie und stehen kompetent an Ihrer Seite. Ein starker Partner im WEG-Recht.

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